26. Oktober 2018
Neben unbekannteren Werken im Gesamtprogramm des Festivals :alpenarte hat der diesjährige Intendant, der rumänische Cellist Andrei Ioniţă, schon im Programmheft geschrieben, dass die von ihm ausgewählten Werke des Eröffnungskonzerts „zum Grundstock der Kammermusikliteratur“ gehören. Das ist wohl richtig, auch wenn man die Werke von Schumann und Brahms, die am Donnerstag im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg erklangen, nicht sehr häufig und vor allem nicht in dieser Konstellation im Konzert hört. Das ist kein Wunder, da diese Kernwerke der deutschen Romantik große Herausforderungen in sich bergen, selbst für erfahrene Kammermusiker. Doch darum wussten auch die jungen Interpreten dieses Abends. Schon zu Beginn war klar, dass man sich nicht von der falschen Idee leiten lassen sollte, dass Robert Schumann 1848 seine „Fantasiestücke“ Op. 73 für Cello und Klavier als Zuflucht in die heimische Idylle und damit als Reaktion auf die revolutionären Unruhen in Dresden in den Jahren 1848/49 geschrieben habe, sondern aus dem inneren Bedürfnis heraus, seiner lyrisch-emotionalen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Andrei Ioniţă konnte diesen drei Stücken gemeinsam mit dem Pianisten Juan Pérez Floristán eine persönliche Note verleihen, singend und sprechend und immer im perfekten Duo-Austausch miteinander.
Das im Programm folgende Klarinettentrio Op. 114 gehört zu Brahms’ Alterswerken, die er 1891 aufgrund seiner Verehrung für den Klarinettisten des damals berühmten Meininger Hoforchesters, Richard Mühlfeld, schrieb, obwohl er ein Jahr zuvor noch bekundet hatte, dass er nichts mehr komponieren wolle. Und es ist ein Werk, das zeigt, mit welcher Freude der Komponist sich auf das „Fräulein Klarinette“ (Brahms) stürzte. Dennoch ist es ein Werk eines gealterten, von seinen Erfahrungen gekennzeichneten Komponisten. Der 31-jährige Spanier Pablo Barragán vermochte mit den beiden Partnerinstrumenten, dem Cello (Andrei Ioniţă) und dem Klavier (Juan Pérez Floristán), genau diese wechselhaften Seiten des Brahms’schen Gemüts herauszuarbeiten, dem schwelgerischen Junggebliebenen ebenso wie dem am Leben Ermüdeten. Und das obwohl Barragán Probleme mit der Luftfeuchtigkeit an seiner Klarinette hatte und zwischen 1. und 2. Satz kurzfristig von der Bühne gehen musste. Danach aber gelang den Dreien eine spielerische Intensität, bei der solch magische Momente entstanden, in denen man das Gefühl hatte, das der Klang im Saal stehen bleibt. Und plötzlich machte der Ausspruch eines Brahms-Freunde Sinn, der meinte: „Es ist, als wären die Instrumente ineinander verliebt.“
War das Publikum nach der ersten Hälfte des Konzerts bereits positiv überrascht von den Leistungen der Musiker, war es dennoch ein wenig zurückhaltend in seiner Begeisterungsbekundung. Das sollte sich in der zweiten Hälfte ändern … Und dazu war das von volksnahen Themen und zigeunerischer Lebensfreude durchwirkte Klavierquartett Op. 25 von Brahms bestens geeignet. Schon im ersten Satz klingt diese Thematik an und als Arnold Schönberg später das wunderbare Hauptthema dieses Satzes hörte, musste er gestehen, dass dieser „leider nicht von mir“ ist. Und zu Recht war er neidisch auf dieses „vollmundige“, schwelgerische Thema, das am Donnerstag mit so viel Leidenschaft gespielt von dem eindrucksvollen Geiger Jonian-Ilias Kadesha (Violine), der lebendigen Karolina Errera (Viola), und nochmals Andrei Ioniţă (Cello) und Juan Pérez Floristán (Klavier) von der Bühne in den Zuschauerraum quoll, dass man sich bereits auf den Fortgang des Quartetts freute. Zwar ist auch dieses Werk eines der emotionalen Wechselbäder. Aber als die jungen Musiker mit fast ekstatischer Freude und in wahnwitzigen Tempi den Abschlusssatz mit Czardas und Zigeunermelodien anstimmten, war jegliches Eis zwischen Bühne und Zuschauerraum gebrochen. Am Schluss standen etliche Zuhörer im Publikum vor Begeisterung und applaudierten so lange, dass die vier Musiker den letzten Satz nochmals anstimmten.
Welch ein Start von :alpenarte, welch ein großartiges Programm, das Andrei Ioniţă den Zuhörern da präsentierte. Und welch eine internationale Musikerriege, die sich da in Schwarzenberg zusammenfindet, um Programme zu spielen, die ebenso spannungsgeladen, herzzerreißend wie eindringlich sind. Man sollte die kommende drei Programme nicht verpassen. Am Samstag und am Sonntag gibt es bereits ab 16:20 Uhr eine Einführung in die um 17 Uhr beginnenden Konzerte.