09. Oktober 2019
Wenn man nach Schwarzenberg kommt, um im Angelika-Kauffmann-Saal ein Konzert zu besuchen, dann erwartet man traditionsgemäß hochkulturelle Interpretationen großer Meisterwerke, die man schon lange kennt. Doch bei dem mittlerweile in der europäischen Festivallandschaft etablierten Festival :alpenarte in Schwarzenberg liegen die Dinge ein wenig anders. Denn das Festival, das von Drazen Domjanic und der gemeinnützige Gesellschaft :alpenarte als Träger dieses Festivals, sowie der „Verein der Freunde von :alpenarte“ sich über die vergangenen drei Jahre etabliert wurde, hat sich zur Aufgabe gemacht, junge, aufstrebende Künstler in neue Gefilde zu führen. So wird jedes Mal wird ein besonderer junger Künstler benannt, der das Festival als Intendant organisieren muss, das heißt die Musiker einlädt, die Programme gestaltet, sich ein Konzept zurechtlegt. Bei der nunmehr sechsten Austragung des Festivals hat man der jungen Cellistin Marie Spaemann diese Aufgabe zugedacht. Und mit ihr hat man eine so facettenreiche Künstlerin eingeladen, dass man sich die Frage stellt: Welcher Idee folgt Marie Spaemann?
Marie Spaemann, 1988 geboren und in Wien lebend, gewann schon in jungen Jahren den renommierten Johannes Brahms- Wettbewerb im österreichischem Pörtschach. Doch wenn man die sympathische Künstlerin auf die klassische Musik festlegen wollte, läge man falsch. Zu offen und interessiert an Musik im Allgemeinen ist Spaemann. Sie schreibt als „Mela“ Songs, singt diese selbst und spielt dazu ihr Instrument, das Cello. Das allerdings zum Teil auf unkonventionelle Art, mal als Zupf-, mal als Percussion-Instrument, mal traditionell streichend. Mit anderen Musikern war sie auch schon als Band bei Großevents auf Tour, spielte immer wieder beides, ihre Songs und die klassischen Standardwerke für Cello. Eingrenzen lassen will sie sich nicht. Zum Glück, denn sonst wäre die diesjährige Herbstausgabe von :alpenarte auch nicht so frei schwingend in den musikalischen Genres, so original und gleichermaßen originell wie es sich nun darstellt. Da schwingen in den ins Englische übertragenden Schubert-Liedern, begleitet von Gitarre und Akkordeon (Christian Bakanic), des US-amerikanischen Bariton-Barden Bryan Benner volkstümliche Ebenen mit – ganz im Sinne Schuberts. Marie Spaemann selbst singt soulig und mit einer faszinierenden, dunklen Stimme ihre tiefgründigen Songs, begleitet sich am Cello und bietet mit ihrem Duo-Partner Bakanic dem Publikum ihre innerste Ausdruckswelt vor.
Akkordeonist Christian Bakanic ist ebenfalls Komponist und hat nach Schwarzenberg etliche Programmpunkte aus seiner Feder mitgebracht. Auch in seiner Schreibweise zeigt sich das Volkstümliche, was sicherlich auch der Tradition seines Instruments, dem Akkordeon geschuldet ist. Und dies auf eine so geniale Art, dass man seinen Werken mit ihrer geschickten Stimmführung fasziniert lauscht. In den vergangenen Ausgaben von :alpenarte hatte sich auch der Künstlerische Leiter und Klarinettist, Sebastian Manz, mit seinen Arrangements und Improvisationen als Grenzen überschreitender Spitzen-Interpret dem Publikum in Schwarzenberg empfohlen und war auch dieses Mal in dieser Rolle wieder mit von der Partie.
Doch die Programmatik, die Marie Spaemann nun entworfen hat, ist weit mehr als nur die Integration der Musiker als kreierende oder interpretierende Künstler. Vielmehr war sie so geschickt und hat die Bausteine der anerkannten Musikgeschichte, mit Werken aus dem französischen Impressionismus, von Antonín Dvorák, Lili Boulanger, Clara Schumann oder Franz Schuberts „Forellenquintett“, mit Werken bereits bekannter und noch lebender Komponisten in Zusammenhang gesetzt. Ob dies nun der Lette Péteris Vasks (* 1946), der aus Bregenz stammende Richard Dünser (* 1959) oder die US-Amerikanerin Julia Wolfe (* 1958) ist. Spaemann beweist mit ihrer Programmatik, wie mannigfaltig Komponisten schon immer das Traditionelle, das Musikantische in ihrer Musik aus ihrer Zeit zum Ausdruck brachten, dass es eigentlich keine Grenzen zwischen den Stilen gibt, solange die Musik ein Publikum und deren Emotionen und Seelen anspricht.
Wer dies leichtfertig als zu leichte Kost im Vergleich mit dem über Jahrhunderte immer wieder rezipierten Repertoire abtut, der versteht Musik in allen ihren Facetten nicht als das was sie ist: Großartige Ausdruckskunst mit Stimme und Instrumenten. Und wenn sie dann noch auf solch einem hohen Niveau und mit so viel Inbrunst und Leidenschaft wie von den jungen Musikerinnen und Musikern interpretiert wie im Festival :alpenarte Herbst 2019, der wird sich gerne bekehren lassen, zur sogenannten „Moderne.“