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Schubert-Lieder als roter Faden

11. Oktober 2019

Der Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg ist eigentlich eine Bühne, die viele gerne eng mit den Werken von Franz Peter Schubert verbinden. Das passt, denn Schubert war als ein außerhalb des Grünen Gürtels von Wien Geborener ein dem Landleben und seiner Bevölkerung verpflichteter Komponist. Das fügt sich wunderbar in das Ambiente der Bregrenzerwald-Region. Und viele Musikliebhaber denken bei Schubert richtigerweise und sogleich an den großartigen Liederkomponisten. Im Festival :alpenarte wurde dem Gesang bislang nur ab und zu Aufmerksamkeit zugedacht. Mit der Intendantin in Residence Marie Spaemann änderte sich dies nun in der Herbst-Ausgabe 2019 dieses Festivals.

Schon im Eröffnungskonzerts „The Art of Joy“ begann das Programm mit dem Schubert-Lied „Fischerweise“, aber nicht im Original, sondern im Arrangement des Gitarristen und Sängers Bryan Benner. Dies war zumindest ein richtungsweisender Beginn, denn dieser amerikanische Barde, der die Schubert-Lieder in seine englische Muttersprache übertrug, sang so beschaulich und unprätentiös, dass man erstaunt und beglückt lauschte. Benner war dann der Künstler, der den roten Faden im Programm bildete. Die innbrünstig vorgetragenen Interpretationen von Benner mochten dem ein oder anderen Zuhörer vielleicht ungewohnt vorkommen, aber jeder erkannte, dass diese Interpretationen in dieser von ihm emotionalen gestalteten Art den Originalen ebenbürtig waren, da sie so überzeugend gesungen wurden – ganz im Sinne Schuberts, denn diese Art könnte man sich auch von Schubert auf seinen Wanderschaften durch die Landschaft vorstellen. Dass dabei auch eine Portion „Wiener Schmäh“ nicht fehlte, machte diese Lied-Interpretationen umso überzeugender. Benners dramatische wie ganz unprätentiöse Version von Schuberts „Erlkönig“ wird sicherlich den meisten Zuhörern noch lange im Gedächtnis bleiben.

Zwischen diesen Liedern Schuberts erklangen Auszüge aus großen Kammermusikwerken der Weltliteratur: Der 1. ausgelassene wie volkstümelnde Satz aus Antonín Dvoráks Klavierquintett Nr. 2, das berauschende Rondo aus Carl Maria von Webers Klarinettenquintett B-Dur, der hochdramatische Abschlusssatz aus César Francks Cellosonate A-Dur, den brillanten 3. Satz aus Francis Poulencs Flötensonate oder den humorvollen 1. Satz aus Jean Francaix’ Streichtrio. Damit wurde – neben den bereits genannten Musikern – von Marie Spaemann und ihren Mitstreitern Anna Magdalena Kokits (Österreich, Klavier), Aoife Ní Bhriain und Sara Domjanić (Irland und Liechtenstein, Violinen), Isidora Timotijević (Serbien, Viola), Jura Herceg (Kroatien, Kontrabass), Christian Bakanic (Österreich, Akkordeon), Sebastian Manz (Deutschland, Klarinette) und Nika Bauman (Kroatien, Flöte) ein Gang von der frühen Romantik bis in die frühe Moderne geboten. Letztendlich zeigten alle Werke auch, dass in allen Zeiten der Ausdruck von Freude ein anderer war. „Freude ist mannigfaltig und lässt sich auch selten festhalten“, meinte Marie Spaemann dazu.

Ein weiteres Rückgrat des programmatisch geschickt aufgebauten Konzerts war der Akkordeonist Christian Bakanic, denn dieser Musiker ist auch Komponist. Und so brachte man gleich drei seiner Werke zur Aufführung. Alle sind durch genau das gekennzeichnet, was über dem Motto dieses Konzerts stand: Die Spielfreude. Genau dieses Element kennzeichnete überhaupt das gesamte Konzert: Die 10 Musiker sind in kürzester Zeit in Schwarzenberg zu einem Team zusammengewachsen, das mit so viel Energie und Spaß auf der Bühne musiziert, so dass es das Publikum in diesem Konzert mitriss. Grenzüberschreitungen, abseits der ausschließlich traditionellen Gewohnheiten, sind da nurmehr ein Ausdruck von jungen Musikern, die sich nicht einschränken lassen wollen, die ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Wenn dies auf solch einem hohen Niveau passiert, ist es überzeugend und kein billig dargebotener Narzissmus. Vielmehr zeigten die Musiker ihre Freude, die Musik für das Publikum zu zelebrieren.

Wer begeistert war von den großartigen Musikerpersönlichkeiten – vor allen anderen voran von Bryan Benners galanter Gesangskunst, von Marie Spaemanns Noblesse sowie Christian Bakanics Musizierlust – der wusste schon nach den ersten 15 Minuten dieses Eröffnungskonzerts, dass er die anderen Konzerte der :alpenarte Herbst 2019 nicht verpassen darf, denn ansonsten würde man sich später ärgern, nach diesem vielleicht spannendsten Eröffnungskonzert in der Geschichte von :alpenarte …

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