13. Oktober 2019
Worum geht es eigentlich in sogenannten Songs, die einen emotional über lange Zeit bewegen und die man immer wieder gerne hört? Meistens doch nicht allein um die Musik, sondern auch um die Aussagen, die darin zum Ausdruck gebracht werden. Sind wir ehrlich: Die Beatles konnten dies genauso wie der frühe Elvis Presley, daher sind diese Songs auch bis heute so lebendig wie ehedem, mögen die Aussage auch nicht immer ganz tiefsinnig sein. Aber: Es sind als Kunstwerke anerkannte Songs der Musikgeschichte. Genau diese Elemente – nun aber mit grandios arrangierter Musik sowie tief ergreifenden Texten – verbindet der Amerikaner Bryan Benner in seinen Songs. Und diese konnte das Publikum im Samstagskonzert „The Art of Song“ des Festivals :alpenarte Herbst 2019 zur Genüge genießen. Auf ihn, und den Gesang der Intendantin in Residence Marie Spaemann, war die erste Hälfte dieses Konzerts für ihre Songs abgestimmt …
Doch wer nun dachte, dass Bryan Benner sich ausschließlich mit seelisch ergreifenden Themen befasst, wurde eines Besseren belehrt. Benner ist zwar ein nachdenklicher Texter, der die Welt um sich herum genau beobachtet, der aber alles auch mit einer gesunden Portion verschmitztem Humor betrachtet wie in „Floating Down The Nihilism“. Geschickt agiert er solistisch, wobei er sich allein mit seiner Gitarre (wie in „The Modern Man“) dann wirklich wie ein fahrender Barde früherer Tage darstellt. Trotz seiner durchdringenden, klaren Stimme nutzte er eine leichte Verstärkung in der wunderbar tragenden Akustik des Angelika-Kauffmann-Saals, die nicht notwendig gewesen wäre, auch wenn er wohl nur sicherstellen wollte, dass jeder Zuhörer die feinen Nuancen seines Gesangs mitbekommen sollte. Denn wenn er sympathisch die Kerninhalte seiner Lieder erklärte, wusste man, dass er ein sensibler wie lebenslustiger Künstler ist. Immer ist seine Musik ein wenig von einer folkloristischen Erfahrung beeinflusst – so wie das Lied über die in Spanien beobachteten Bougainvilla. Nach und nach erweiterte er mit seinen musikalischen Kollegen die Besetzung, bis hin zu „Don’t Forget“ mit Violine, Kontrabass, Querflöte und Akkordeon zu seinem Gitarrenspiel und Gesang.
Wieder zeigte es sich wie geschickt die Intendantin in Residence, die Cellistin Marie Spaemann, die Musiker für dieses Festival ausgewählt hatte. Denn die irische Geigerin Aoife Ní Bhriain und die kroatische Flötistin Nika Bauman sind nicht nur brillante klassische Musikerinnen, sondern verstehen sich famos auf die Ausdruckswelten dieser folkloristischen angehauchten Songs. Und der Akkordeonist Christian Bakanic gab dem Ausdruck nochmals eine wunderbar würzige Note. Vielleicht war dies ungewöhnlich für das auf klassische Musik eingestellte Publikum der :alpenarte, doch die Zuhörer genossen es, sich einmal von dieser Art von Musik auf der so traditionellen Bühne des Angelika-Kauffmann-Saals in Schwarzenberg einfangen zu lassen. Denn letztendlich war es genau das, was versprochen wurde: Die Kunst des Liedgesangs – und die Lust daran. Das Publikum war sofort begeistert.
In dieselbe Kerbe schlug auch die Maire Spaemann selbst – allerdings auf ihre ganz eigene und persönliche Art. Ihre mit dem Christian Bakanic im Duo erarbeiteten und vorgetragenen Songs waren nicht nur spannungsgeladen, sondern vor allem auch Ausdruck innerster Empfindungen, Gedanken und Ängste. Nun endlich zeigte Spaemann ihre facettenreichen Fähigkeiten als Sängerin und Instrumentalistin, sowie ihre Individualität für ein originelles Genre, das man vielleicht zwischen klassischen Cellospiel, Jazz- und Soulgesang und Singer-Songwriter-Tradition einordnen könnte. Abseits von Schubladendenken konnte man in diesem Konzert allerdings einfach eine hervorragende junge Cellistin gemeinsam mit einem Akkordeonisten als Partner hören, die ihre meist selbst geschriebenen Songs singt – und dies in einer faszinierend einnehmenden Art! Mochte dies der Song „Shadow“ oder „Story of Inconsequence“ sein, immer war das Publikum ganz bei der Sache, war emotional bewegt. Für den Song „Fire“ erweiterten die beiden Song-Interpreten die instrumentale Ebene mit den beiden Violinistinnen Aoife Ní Bhriain und Sara Domjanić sowie den Kontrabassisten Jura Herceg zu einem „feurigen“ Finale. Auch hier war sie wieder: Diese Spiellust von einer persönlich empfundenen Musik.
Ganz am Schluss dann noch ein ganz großes Werk der Musikgeschichte, das letztendlich bewies und unterstrich, dass diese jungen Musiker sich auch in jeder Hinsicht auf die Interpretation der großen Weltliteratur der Musik verstehen. Denn mit Franz Schuberts „Forellenquintett“ spielten die Pianistin Magdalena Kokits, Sara Domjanić (Violine), Isidora Timotijević (Viola), Marie Spaemann (Cello) und Jura Herceg (Kontrabass) eine so beeindruckend lebendige wie sprechend-spannende Version dieses Klassikers, dass die Zuhörer über alle fünf Sätze dieses emotionalen Werks mitfieberten. Dies Konzert bewies es wieder: Das große Moment der Überzeugungskraft junger Musiker, die sich die Musik aller Zeiten zu Eigen machen und sie mit Inbrunst und Leidenschaft vortragen, überzeugen in jeder Nuance. Genau diese Leidenschaft für alle Musik, gleichgültig welcher Ausrichtung, macht die Programme von :alpenarte so besonders und anders – und so erfrischend neu und lebendig.